
«Ich bin zäher als andere, welche nie kämpfen mussten.»
Wegen seiner feingliedrigen Statur musste Hanskurt «Hausi» Brand seinen eigenen Weg suchen. Statt den elterlichen Bauernhof übernehmen zu können, fuhr er wie ein Besessener Rad, flog in die weite Welt hinaus und brachte Pokale und Preise nach Hause. Seit dem Ende seiner Profisportler-Karriere verkauft der Europameister mit derselben Leidenschaft Occassions-Autos. Für seine harte Kindheit findet er heute versöhnliche Worte.
Februar 2021 / Interview und Text: Anna Maier / Fotos: Lukas Schnurrenberger
Woher kommt der Name Hausi?
Hanskurt finde ich einen blöden Namen, zusammengebastelt, und er passt nicht zu mir. In der Schule sagten sie mir Hansi. Und ich antwortete: Nein, ein Kanarienvogel bin ich nicht. Und so wurde ich dann zum «Hausi».
Hast du Geschwister?
Ja, ich habe einen Bruder, welcher 18 Monate jünger ist und eine Schwester – eine Nachzüglerin, 5 Jahre jünger. Arnold und Annemarie.
War der geringe Altersunterschied zu deinem Bruder für dich Fluch oder Segen?
Der war schwierig. Vor allem, weil mein «kleiner Bruder» grösser und stämmiger war. Er kriegte neue Kleider und ich musste sie auftragen. Oder ich wollte ein «Töffli». Meine Eltern sagten: «Das geht nicht, wir haben dafür kein Geld.» Als ich dann irgendwann eines erhielt, bekam er gleichzeitig auch eins. Ich war eifersüchtig.
Wie empfandest du den Umstand, dass dein Bruder «über dich hinauswuchs»?
Ich war eingeschüchtert. Wenn es mal ein Gerangel gab, hatte ich keine Chance. Ich war deshalb zurückhaltend und hatte Respekt. Allerdings war ich Dank meiner Schmächtigkeit der Erste der Familie, der sich seinen Job selber aussuchen durfte. Mein Vater sagte zu mir: «Du bist zu schwach. Du kannst unseren Bauernhof nicht übernehmen.» Meinem Bruder wurde dieser übertragen, und ich durfte auswählen, was ich werden wollte. Ich wählte Automechaniker. Alle anderen waren Bauern oder Pöstler. Das war ein Novum in unserer Verwandtschaft.
Warum wolltest du Automechaniker werden?
Es war der einzige Beruf, welcher mich damals fasziniert hat. Ein Auto empfand ich als Symbol der Freiheit, weil es einem schnell überall hinbringen konnte. Ich durfte zwar als Bauernkind schon mit 14 Jahren Traktor fahren. Da aber mein Bruder der Stärkere war, übernahm er das stets und ich musste hinten den Rechen nachziehen.
Wie empfindest du rückblickend deine Kindheit?
Das ist ein wunder Punkt, welchen ich mit dem Sport überwinden konnte. Meine Kindheit empfand ich nicht als schön. Ich konnte selten einfach Kind sein, sondern musste schon früh mit anpacken. Wir wurden auch während der Ferien auf andere Bauernhöfe geschickt, um zu arbeiten und zu helfen, die Familie durchzubringen. Das war hart, vor allem für mich als schmächtigen Jungen. Musste ich Heuballen schleppen, sah man nur noch zwei staksige Beinchen unten hervorschauen.
Zogst du deshalb weit weg aus deiner Heimat Gstaad?
Nicht unbedingt. Ich sah, wie meine Eltern kämpfen mussten. Ich versuchte immer, ihnen etwas zurückzugeben, denn Dank ihnen gibt es mich hier auf dieser Welt. Als ich als Radsportprofi in Genf lebte oder in Deutschland, da zog es mich sogar wieder zurück. Ich fühlte mich häufig wurzellos.