
Astrit Sejdijaj: «Ich bin zu 90 Prozent glücklich.»
Wie ist es, wenn man als 10-Jähriger die Heimat verlässt, um sich eine neue aufzubauen? Astrit Sejdijaj, Serviceberater Rad bei Binelli Group Zürich, hat es erlebt. Nach einer unbeschwerten Kindheit im Kosovo folgte die Familie dem Vater in die Schweiz. Sie wurde mit offenen Armen empfangen – und aufgefangen, als sie einen schweren Schicksalsschlag erleiden musste.
Interview und Text: Anna Maier / Fotos: Simon Leibundgut
Auf den ersten Blick wirkt Astrit Sejdijaj ruhig und zurückhaltend. Er ist höflich, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Seine berufliche Welt spielt sich inmitten von Reifenstapeln ab, in einer urbanen Industriehalle. Das totale Kontrastprogramm zur Umgebung seiner Kindheit. Wenn er davon erzählt, wie er als Bub seinem Grossvater half, die Kühe auf die Alp zu treiben, dann spricht er nicht von den Schweizer Bergen, sondern von seiner Heimat.
Wie wenig ich über den Kosovo weiss, denke ich mir, als ich Fotos von der dortigen Gebirgslandschaft sehe, die auf den ersten Blick so viel Ähnlichkeit hat mit unserer. «Ich habe nur schöne Erinnerungen an meine Kindheit. Ich wuchs mit meinen Grosseltern und meiner Mutter auf. Mein Vater arbeitete in der Schweiz. Zweimal im Jahr kam er nach Hause. In der Zwischenzeit übernahm mein Grossvater die Rolle der männlichen Bezugsperson. Mit ihm ging ich auf den Markt und in die Berge mit seinen Kühen. Gerade dieses Leben in der Natur, mit den Tieren auf der Weide zu sein, mit dem Traktor mitzufahren, gefiel mir sehr. Ja, ich war ein glückliches Kind.»
In einem Dorf in der Nähe der Stadt Peja wuchs Astrit auf, mit einer jüngeren Schwester und einem jüngeren Bruder. Bis er zehn Jahre alt war und sein Papa einen neuen Lebensabschnitt verkündete. Die ganze Familie zog um, dahin, wo sein Vater schon ein paar Jahre gearbeitet hatte. «In die Schweiz zu kommen, war schön. Ich wurde sehr herzlich empfangen, fand es sogar fast etwas übertrieben, wie überschwänglich ich begrüsst wurde. Am ersten Schultag begleitete mich ein Schulkamerad nach Hause. Ich kannte zwar den Weg, aber konnte mich noch nicht so gut verständigen. So liefen wir schweigend nebeneinanderher. Meine Mutter fand das voll süss. Ich fand schnell Freunde.»